Panorama

Jungen angefahren - Berufungsprozess nach Einigung beendet

Ein Autofahrer, der auf Rügen im Sommer 2024 einen 13-Jährigen aus Bremen anfuhr, stand erneut vor Gericht. Das Berufungsverfahren wurde nach einer Einigung beendet.

11.11.2025

Die Parteien einigten sich auf die Zahlung von Schmerzensgeld.Stefan Sauer/dpa

Die Parteien einigten sich auf die Zahlung von Schmerzensgeld.Stefan Sauer/dpa

© Stefan Sauer/dpa

Es war ein folgenschwerer Unfall im Sommer 2024 auf Rügen: Ein Schüler aus Bremen wurde von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Zuvor hatte der damalige Achtklässler, der auf Klassenfahrt in Prora war, nach eigenen Angaben dem Fahrer einen Mittelfinger gezeigt. Nach der Verurteilung des Autofahrers im Juni wegen fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist nun auch das Berufungsverfahren am Landgericht Stralsund zu Ende gegangen - früher als gedacht.

Einstellung nach Einigung 

Kurz nach Prozessbeginn gab es eine Einigung, das Verfahren wurde beendet, das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Stralsund ist somit rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und der Jugendliche als Nebenkläger zogen ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtes zurück. Darin wurde eine Geldstrafe von 12.000 Euro verhängt und der Entzug des Führerscheins des Mannes für anderthalb Jahre angeordnet. 

Zudem soll der inzwischen 48-jährige Autofahrer 10.000 Euro Schmerzensgeld an den Jungen zahlen. Die Staatsanwaltschaft und der inzwischen 15 Jahre alte Jugendliche, der als Nebenkläger aufgetreten war, zogen ihre Berufungen daraufhin zurück. 

Vorsatz für Gerichte nicht erkennbar

Im damaligen Prozess hatten Klassenkameraden ausgesagt, der Mann habe am 14. August 2024 sein Auto gewendet und habe den Schüler mit einer gezielten Lenkbewegung angefahren. Zuvor hatte der Jugendliche dem Mann nach eigenen Angaben einen Mittelfinger als provozierende Geste gezeigt. 

Das Amtsgericht sah keinen Vorsatz im Handeln des Mannes. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Fahrer die Geste überhaupt gesehen habe. Er hatte nach eigenen Angaben gewendet und war zurückgefahren, weil er etwas zu Hause vergessen hatte. Auch Richter Witt bezweifelte zu Beginn des Berufungsverfahrens, dass ein Vorsatz festzustellen sei. „Da sitzt kein bekloppter Raser.“ Der Angeklagte sei zuvor nicht entsprechend in Erscheinung getreten. Witt regte statt einer erneuten Vernehmung mehrerer Zeugen eine Einigung der Parteien an.

Richter spricht von „Scheißvorfall“

Der Richter sprach vielmehr von einem „Scheißvorfall“. Den Schilderungen zufolge war der Junge mit Oberkörper und Kopf auf den Wagen geprallt und hatte sich ein Schädelhirntrauma, ein Bauchtrauma und mehrere Wunden zugezogen. Danach lag er auf der Straße, stand dann aber auf und entfernte sich vom Unfallort.

Der Junge wurde per Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht. Wenn man nicht selbst Kinder habe, könne man sich nicht vorstellen, was auch die Mutter habe durchmachen müssen, sagte Witt. „Ich hoffe, Du kriegst das verarbeitet“, wandte sich der Vorsitzende Richter Olaf Witt zudem an den Jugendlichen. 

Persönliche Entschuldigung des Angeklagten

Dass er den Unfallort einfach verlassen habe, sei das Schlimmste, das er in seinem Leben gemacht habe, räumte der 48-Jährige im Berufungsverfahren ein. Später hatte er das Cabrio versteckt. Witt sagte, der Mann habe sich sicherlich nicht richtig verhalten, aber möglicherweise wegen der großen Aufmerksamkeit für den Fall nicht rational gehandelt. Witt verwies auch auf die negativen Konsequenzen, die diese Aufmerksamkeit für das Leben des nun Verurteilten auf Rügen mit sich bringe.

Die Einigung sieht auch vor, dass der Mann für weitere Schäden aufkommt, die dem Jugendlichen als Folge des Unfalls entstehen, sofern diese nicht etwa durch Versicherungen gedeckt sind.

Entschuldigung ohne Öffentlichkeit

Das Berufungsverfahren war wiederholt unterbrochen worden, auch damit sich der Angeklagte persönlich bei dem Unfallopfer entschuldigen konnte - auf Anregung Witts nicht im Gerichtsaal vor Medienvertretern. 

Diese Entschuldigung sei ihrem Sohn besonders wichtig gewesen, sagte die Mutter. Seine Narben würden bleiben. Die Eltern zeigten sich nicht gänzlich zufrieden mit dem Ausgang. Sie seien aber dem Rat ihres Anwaltes gefolgt. Der Vater sagte, sein Sohn sehe das Ende des Verfahrens als etwas, „wo er sich dran festhalten kann. Jetzt ist er für sich mehr oder weniger durch.“