Häusliche Gewalt auf Rekordhoch – 61.406 Fälle gemeldet
Die Zahl gemeldeter Fälle häuslicher Gewalt steigt an. Die Ermittler gehen aber weiter von einem hohen Dunkelfeld aus. Was NRW zum Schutz von Opfern tut.

„Niemand muss Gewalt und Schikane zu Hause aussitzen“, sagt Innenminister Reul an die Opfer häuslicher Gewalt gerichtet. (Symbolbild)Fabian Sommer/dpa
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Die Zahl der gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt hat in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht. Laut einem neuen Lagebild des Landeskriminalamts (LKA) wurden 61.406 Taten erfasst. Das sei noch mal ein Plus von rund zwei Prozent (2023: 60.268 Fälle). Innenminister Herbert Reul (CDU) appelliert an die Opfer, nicht zu schweigen.
„Melden Sie sich, wenn etwas passiert ist. Die Polizei geht jedem Hinweis nach. Niemand muss Gewalt und Schikane zu Hause aussitzen“, sagte Reul zur dpa. Er betonte: „Hinter jeder Zahl stecken Menschen, die leiden, zerbrochene Partnerschaften oder Kinder, die nicht mehr gerne nach Hause kommen.“
Großteil der Opfer ist weiblich
Laut dem Lagebild sind 2024 über 66.000 Menschen Opfer in ihrem eigenen Zuhause geworden. In mehr als der Hälfte der Fälle ging es um Körperverletzung. In rund ein Viertel der Fälle ging es um Bedrohung, Nötigung oder Stalking. Bei 71 Prozent der Fälle waren die Opfer weiblich, in 29 Prozent männlich. Zwei Drittel aller Fälle galten demnach als Partnerschaftsgewalt - dabei waren vier von fünf Opfern Frauen.
32 Menschen wurden nach Zählung des Lagebilds im vergangenen Jahr durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet. 29 der Opfer waren Frauen. In Familienkonflikten gab es 19 Todesopfer.
Ermittler gehen von hohem Dunkelfeld aus
Häusliche Gewalt ist vor allem ein Problem bei jungen Menschen: Insgesamt waren die meisten Opfer und Täter zwischen 30 und 39 Jahren alt. Bei innerfamiliärer Gewalt ist fast die Hälfte der Opfer unter 21 Jahre alt.
Die Ermittler sind sicher: Die Zahlen steigen, weil immer mehr Fälle angezeigt werden. Aber: Das sogenannte Dunkelfeld bleibt laut LKA groß, weil viele Opfer sich noch immer nicht trauen, sich bei der Polizei zu melden. „Wir brauchen starke Schutzstrukturen, mehr offene Ohren und Augen im Umfeld und Mut für Betroffene, Hilfe in Anspruch zu nehmen“, sagte Innenminister Reul: „Gewalt Zuhause darf kein Tabuthema sein.“
NRW fördert 70 Frauenhäuser
Das Gleichstellungsministerium verwies auf unter anderem 70 geförderte Frauenhäuser mit rund 700 Schutzplätzen für Frauen mit mehr als 750 Kinderplätzen, 62 allgemeine Frauenberatungsstellen und 57 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt.
Familienministerin Josefine Paul (Grüne) sagte der dpa: „Geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt passieren in der Mitte der Gesellschaft. Die aktuellen Daten zeigen dies auf drastische Weise.“ Paul ergänzte: „Wir fokussieren uns darauf, hier bestehende Schutzlücken zu schließen und den Schutz weiter auszubauen.“
Mit Blick auf das „Gewalthilfegesetz“ des Bundes sagte Paul: „Wir in NRW werden das Gewalthilfegesetz in enger Abstimmung mit den Kommunen und Trägern umsetzen.“ Das Gesetz sieht einen Rechtsanspruch auf kostenfreien Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen vor. In NRW tritt der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt für Frauen und ihre Kinder am 1. Januar 2032 in Kraft.