Panorama

Haarige Angelegenheit: Richter haben über Biber zu befinden

Sachsen will unliebsame Biber nach Frankreich „abschieben“. Doch die geplante Umsiedlung der Nager ist nun ein Fall für das Verwaltungsgericht Dresden.

15.11.2025

Sachsen will mehrere Biber nach Frankreich umsiedeln. (Archivbild)Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Sachsen will mehrere Biber nach Frankreich umsiedeln. (Archivbild)Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

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Das Corpus Delicti heißt Castor fiber. Genaugenommen müssen die Richter des Dresdner Verwaltungsgerichtes demnächst über die osteuropäische Unterart des Bibers befinden. Denn die Nager tun in der Oberlausitz das, was sie am besten können. Sie fällen Bäume, bauen Dämme, stauen Wasser und geraten so in Konflikt mit menschlichen Interessen. Die streng geschützten Tiere werden für Schäden verantwortlich gemacht, die etwa an Wohngebäuden, Gewässern oder Ackerflächen entstehen. 

Naturschutzorganisation will geplante Umsiedlung verhindern 

Sachsen will nun zwei unliebsame Biberfamilien aus der Oberlausitz nach Frankreich „abschieben“ und stößt dabei auf Widerstand von Naturschützern. Die Grüne Liga im Freistaat stoppte die geplante Umsiedlung per Eilantrag. Denn sollten die Biber nicht lebend gefangen werden können, erlaubt die Entscheidung der zuständigen Landesdirektion Sachsen (LDS) als letztes Mittel auch eine Tötung der Tiere. 

„Wir gehen nach jetzigem Stand jedoch davon aus, dass es dazu nicht kommen wird. Es geht nicht um eine deutliche Reduktion der Population“, schildert die LDS das Anliegen. Die Biberpopulation in der Teichlausitz bleibe auch weiterhin im günstigen Erhaltungszustand. Mit der Genehmigung sei beabsichtigt, den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen und die Teichgruppe als maßgeblichen Bestandteil des dortigen Schutzgebietes nachhaltig zu sichern. 

Für die Grüne Liga stellt sich dagegen die „grundlegende Frage, wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, einer europarechtlich besonders geschützten Art wie dem Biber das Existenzrecht in einem Naturschutzgebiet absprechen zu wollen“.

Erhebliche Schäden an Teichanlangen

Doch der Reihe nach: Den Antrag auf „Entnahme“ der Biber hatte ein Teichwirt aus Kreba (Landkreis Görlitz) gestellt. Mit „Entnahme“ ist eigentlich gemeint, Tiere in die ewigen Jagdgründe zu schicken. An den Dämmen der Teichanlagen von Kreba-West, wo Karpfen und andere Fische heranwachsen, hatten Biber wiederholt Schäden verursacht. „Die Schäden in der Teichgruppe sind erheblich. Die Gesamtsumme allein für die notwendigen Reparaturen seit 2019 beläuft sich auf mehr als 190.000 Euro“, berichtet die LDS. Ein Dammbruch Anfang Juni dieses Jahres brachte das Fass nun zum Überlaufen.

„Ohne Eingriff müsste mit derartigen Schäden auch in Zukunft regelmäßig gerechnet werden“, sagt die LDS. Allerdings sah die Behörde auch einen friedlichen Ausweg. Aus Bayern erhielt sie Kenntnis über eine erfolgreiche Vermittlung von Bibern nach Frankreich. Eine Nachfrage ergab, dass die Franzosen auch Interesse an den sächsischen Bibern haben. 

Doch zunächst hat das Verwaltungsgericht Dresden das Sagen. (Archivbild)Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Doch zunächst hat das Verwaltungsgericht Dresden das Sagen. (Archivbild)Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

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Die Genehmigung der LDS für die Umsiedlung der Biber gilt bis Mitte März 2026. Bis dahin müssen die Nager den Freistaat in der Transportkiste verlassen haben. Die genaue Anzahl der Tiere ist der Landesdirektion nicht bekannt. „Wir gehen von maximal zwei Familien - jeweils etwa vier bis sechs Tiere - und einigen wenigen Einzeltieren aus“, betont die Behörde.

Biber ist ein natürlicher Verbündeter im Kampf gegen Klimawandel

Für die Grüne Liga ist das ein Unding. Denn die Naturschützer sehen den Biber als natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. „Die von staatlichen und politischen Stellen vorgetragenen theoretischen Ausführungen zur Bekämpfung der Folgen des Klimawandels und der Biodiversitätskrise werden gerade vom Biber in vorbildlicher Weise in die Tat umgesetzt. Wasser in der Landschaft zu halten, neuen Lebensraum für gefährdete Arten zu schaffen, wird tagtäglich propagiert und ist gesetzliche Zielstellung für die naturschutzrechtlich geschützten Gebiete“, argumentiert die Organisation. 

Auch im Schutzstatus an sich sehen die Naturschützer einen Hinderungsgrund für die Abschiebung der Biber. Die osteuropäische Unterart des Bibers sei ebenso europarechtlich geschützt wie der Elbebiber, macht die Grüne Liga geltend. „Welche fachlichen Gründe dem natürlichen Ausbreitungsprozess einer geschützten Art entgegenstehen, sind nicht bekannt. Für das vereinte Europa gilt das Schengen-Abkommen.“ Anders gesagt: Der Biber kann in Europa nagen, wo er will, sein Schutzstatus kennt keine Grenzen. 

Biber leben in der Oberlausitz in einem Schutzgebiet

Die Grüne Liga verweist darauf, dass die Biber von Kreba in einem Schutzgebiet leben, dem Unesco-Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Die Region ist als Vogelschutzgebiet nicht nur eine „Special Protection Area“ (SPA), sondern unterliegt auch der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. Die Richtlinie hat die Erhaltung der biologischen Vielfalt zum Ziel.

Für die Umweltschützer ist die Wiederansiedlung des Bibers in einem SPA-Gebiet, FFH-Gebiet und Naturschutzgebiet eine Erfolgsgeschichte. „Die mit der besonders geschützten Art und deren Lebensweise verbundene Aufwertung der Landschaft durch die Wiederherstellung des Wasserrückhaltevermögens des Bodens ist nicht hoch genug einzuordnen und dient ausdrücklich den Zielen der obengenannten Schutzgebietskategorien“, heißt es etwas sperrig. 

Das alles haben die Dresdner Verwaltungsrichter nun zu bedenken, wenn sie über den Eilantrag zum Castor fiber urteilen. Davon hängt ab, ob die Biber schon bald in Hauts-de-France, der nördlichsten Region Frankreichs, eine neue Heimat bekommen, oder weiter in Sachsen nagen müssen. Anpassungsprobleme dürfte der Biber kaum haben. An französischen Bäumen lässt sich genauso knabbern wie an der deutschen Eiche.