Warum Frankfurt seine Drogenkonsumräume umbaut
Früher war es Heroin, heute dominiert Crack die Szene im Bahnhofsviertel. Wie kann man die Hilfsangebote verbessern – und die Suchtkranken von der Straße locken?
In den nächsten Wochen wird der Rauchraum für Crack-Konsumenten geöffnet.Andreas Arnold/dpa
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Die Stadt Frankfurt reagiert auf die Veränderungen in der offenen Drogenszene: Statt Heroin dominiert Crack das Bahnhofsviertel. Um die Menschen von der Straße zu holen, wurde nun der größte der vier Konsumräume der Stadt in der Niddastraße umgebaut.
Neben den zwölf Plätzen für intravenösen Konsum stehen jetzt 16 Rauchplätze zur Verfügung – viermal mehr als zuvor. Nach Angaben des Trägervereins, der Integrativen Drogenhilfe, ist es damit „Deutschlands größter inhalativer Konsumraum“.
80 Prozent der Schwerstabhängigen rauchen Crack
Etwa 80 Prozent der rund 200 Schwerstabhängigen der offenen Szene rauchen nach Angaben des Dezernats Crack. „Wir haben das Hilfsangebot der Realität angepasst“, sagte Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Grüne) bei der Wiedereröffnung.
Nach dem Umbau könnten deutlich mehr Suchtkranke unter sicheren und hygienischen Bedingungen Crack rauchen, so Voitl. „Damit verbessert die Stadt die Gesundheitsversorgung schwer kranker Menschen und schützt gleichzeitig den öffentlichen Raum.“ Auch die anderen Konsumräume sollen den veränderten Bedürfnissen angepasst werden.
Vor dem Umbau seien die wenigen Rauchplätze fast immer belegt gewesen, sagt die Geschäftsführerin der Integrativen Drogenhilfe, Gabi Becker. „Doch suchtkranke Menschen sind von ihrer Sucht getrieben und oft nicht in der Lage zu warten, bis ein Platz frei wird – das ist nun nicht mehr nötig.“ Pro Tag werden die Konsumplätze in der Einrichtung bis zu 250 Mal genutzt.
Gabi Becker leitet die Integrativen Drogenhilfe, den Trägerverein des größten Konsumraums.Andreas Arnold/dpa
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Extrem schnelle Verelendung
Crack ist Kokain, das mit Natriumkarbonat aufgekocht wurde und in Form von kleinen Steinchen meist in einer Pfeife geraucht wird. Die Droge erzeugt einen schnell einsetzenden, höchst intensiven, dafür aber auch sehr kurzen Rausch. Das Verlangen, erneut zu konsumieren, ist besonders stark.
Manche konsumieren quasi ununterbrochen, schlafen tagelang nicht, essen nicht, trinken nicht, waschen sich nicht. „Das führt zu einer extrem schnellen Verelendung“, erklärte kürzlich die Leiterin der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, Esther Neumeier.
Konsumräume als „Erfolgsmodell“?
In der Niddastraße kann man dieses Elend sehen. „Wir haben uns gefragt: Wie können wir attraktiver werden, wie können wir die Menschen in unsere Räume holen, wo sie für Hilfsangebote erreichbar sind“, sagt Gabi Becker. Neben mehr Rauchplätzen gibt es nach dem 200.000 Euro Umbau auch neue Toiletten, einen Raum mit Ruhebetten, eine Klimaanlage, Sozialarbeiter, Ärzte und Psychiater bieten Sprechstunden an.
Ein Ziel der Einrichtung: Bessere Hygiene für Drogenkranke. Andreas Arnold/dpa
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Voitl sieht die Konsumräume als „Erfolgsmodell“. Seit Frankfurt 1994 den ersten Druckraum Deutschlands einrichtete, habe es in den Einrichtungen keinen einzigen Todesfall gegeben – und das bei rund 600 Konsumvorgängen täglich.
Der nächste Schritt
Der Begriff „Frankfurter Weg“ steht seit den 1990er Jahren für eine traditionell liberale Drogenpolitik in der Mainmetropole. Nun will die Stadt den „Frankfurter Weg 2.0“ einschlagen, denn die entwickelten Maßnahmen als Heroin die vorherrschende Droge war, funktionieren für Crack nur noch bedingt.
Überwachungskameras haben die Crack-Konsumenten im Blick. Im Druckraum für Heroin ist immer ein Mitarbeiter anwesend. Andreas Arnold/dpa
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Die Stadt plant ein neues Suchthilfezentrum, das besser zu der neuen Szene passt. Im Sommer gaben die Stadtverordneten grünes Licht: Eine stadtnahe Immobiliengesellschaft hat ein Haus – ebenfalls in der Niddastraße - gekauft, soll es umbauen und betreiben. Die Kosten für Erwerb und Herrichtung der Immobilie werden auf knapp zwölf Millionen Euro geschätzt.
Geplant sind Duschen, eine Kleiderkammer, ein Krankenzimmer, eine Substitutionsambulanz, eine Wundversorgung, Notübernachtungen und Tagesruhebetten. „Ein solches Zentrum dient sowohl den Interessen der Stadtbevölkerung als auch der Abhängigen“, sagte Experte Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences damals.
Der Konsumraum der „Integrativen Drogenhilfe“ liegt in der Niddastraße, einem Brennpunkt der Mainmetropole. (Archivbild) Arne Dedert/dpa
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